Wir veröffentlichen hier die deutsche Übersetzung eines Beitrags von Amma, der im Juni 2017 im Online-Magazin „Thrive Global“ von Arianna Huffington erschienen ist.
Unsere Verantwortung gegenüber unserer Mutter
Wenn wir die Natur vergessen, steuern wir auf unseren eigenen Tod zu.
Manchmal berichten mir Menschen über ein Gefühl des Ungleichgewichts, ähnlich einem Schwindel. Dies kann auf eine Störung kleiner Partikel in den Ohren zurückzuführen sein. Aufgrund der egoistischen und rücksichtslosen Handlungen der Menschheit ist die Natur in ähnlicher Weise aus dem Gleichgewicht geraten. Die Situation ist ernst. Wir müssen so alarmiert sein, als würden wir mit einer Waffe bedroht. Nur dann können wir überleben.
Ich bin in einem sehr armen Fischerdorf aufgewachsen. Die Menschen dort lebten von Tagelohn. Sie hatten nur selten täglich zu essen. Als Kind ging ich in die Häuser der Nachbarschaft, um Lebensmittelabfälle als Futter für unsere Kühe zu sammeln. Einmal sagte mir eine Frau, als ich zu ihrem Haus ging, sie hätte nichts, weil sie an diesem Tag nichts zu kochen hatte. Ich frage nach dem Grund. Sie sagte, ihr Mann konnte keine Arbeit finden und daher kein Essen kaufen. Sie erläuterte, er sei neulich 10 Kilometer weit gelaufen, um Geld zu leihen, hatte jedoch kein Glück. Auf dem Weg zurück bemerkte er im Mondlicht eine Schildkröte, die am Strand Eier legte. Nachdem sie die Eier gelegt hatte, kehrte die Schildkröte ins Meer zurück. Der Mann hatte einige der Eier genommen und war nach Hause zurückgekehrt. Sie kochten die Eier und gaben ihren Kindern zu essen. Das war ihre letzte richtige Mahlzeit gewesen.
Als die Frau diese Geschichte erzählte, fragte eines ihrer Kinder den Vater: „Papa, wie viele Eier legt eine Schildkröte?“ Der Vater sagte ihm, dass eine Schildkröte mehr als hundert Eier lege. „Aber du hast uns nur ein paar Eier gebracht. Warum hast du nicht mehr gebracht.“ Der Vater erläuterte: „Mein Kind, stelle dir nur vor, wie traurig deine Mutter und ich wären, wenn wir euch alle verlieren würden. Alle diese Eier sind die Babys der Schildkröte. Stell dir vor, wie traurig sie wäre, wenn ich alle Eier nähme. Mutter und Vater könnten den Verlust aller ihrer Kinder niemals ertragen. Damit wäre auch ihr ganze Familie zerstört. Wir müssen genug Eier zurücklassen, so dass mehr Schildkröten geboren werden und die Spezies fortbesteht.“
„Aufgrund der egoistischen und rücksichtslosen Handlungen der Menschheit ist die Natur in ähnlicher Weise aus dem Gleichgewicht geraten. Die Situation ist ernst. Wir müssen so alarmiert sein, als würden wir mit einer Waffe bedroht. Nur dann können wir überleben.“ – Amma
Obwohl seine Familie eine derart harte Zeit durchmachte, dachte der Vater an den Kummer der Schildkröten und wie die Spezies erhalten bleiben soll. Die Menschen haben damals auch Mitten im eigenen Leid mitfühlend Rücksicht auf andere Lebewesen genommen. Sie haben von der Natur nur genommen, was sie brauchten. Der Rest wurde ihr zurückgegeben.Wir müssen immer mindestens so viel geben wie wir nehmen. Nur dann wird das Gleichgewicht in der Natur aufrechterhalten werden. Dies war die Geisteshaltung unserer Vorfahren. Heutzutage exportieren die Menschen diese Schildkröten sogar für Geld und Fleisch.
Die Natur ist unsere erste Mutter. Sie nährt uns unser ganzes Leben lang. Unsere leibliche Mutter gestattet uns vielleicht, ein paar Jahre auf ihrem Schoß zu sitzen, aber Mutter Natur trägt unser Gewicht geduldig unser Leben lang. Sie singt uns in den Schlaf, nährt uns und streichelt uns. Genauso wie ein Kind seiner leiblichen Mutter verpflichtet ist, sollten wir eine Pflicht und eine Verantwortung gegenüber Mutter Natur empfinden. Wenn wir diese Verantwortung vergessen, ist es, als vergäßen wir uns selbst. Wenn wir die Natur vergessen, hören wir auf zu existieren. Wenn wir dies tun, steuern wir geradewegs auf unseren eigenen Tod zu.
In den alten Tagen bedurfte es tatsächlich keines speziellen Umweltschutzes, weil der Schutz der Natur Teil der Anbetung Gottes und des Lebens selbst war. Mehr als sich nur an „Gott“ zu erinnern, liebten und dienten die Menschen der Natur und der Gesellschaft. Sie sahen den Schöpfer durch die Schöpfung. Sie liebten, verehrten und schützen die Natur als die sichtbare Form Gottes. Wir sollten versuchen, diese Haltung wiederzuerwecken.
Wenn ein Mensch einen Baum fällt, ist dies, als täte er dies, um seinen eigenen Sarg herzustellen. Es reicht nicht, einen neuen Baum pro gefälltem Baum zu pflanzen. Er sollte wenigsten 50 Stück pflanzen. Ein kleines Bäumchen leistet nicht dasselbe Maß an Reinigung wie ein großer Baum. Selbst 10 junge Bäume können nicht für die von einem Baum geleistete Reinigung sorgen. Wenn wir die Natur nicht als göttlich sehen und sie aus dieser höheren Perspektive beschützen können, so sollten wir dies zumindest aus unserem Wunsch nach Selbsterhaltung tun.
„Die Natur ist unsere erste Mutter. Sie nährt uns unser ganzes Leben lang. Unsere leibliche Mutter gestattet uns vielleicht, ein paar Jahre auf ihrem Schoß zu sitzen, aber Mutter Natur trägt unser Gewicht geduldig unser Leben lang. Sie singt uns in den Schlaf, nährt uns und streichelt uns. Genauso wie ein Kind seiner leiblichen Mutter verpflichtet ist, sollten wir eine Pflicht und eine Verantwortung gegenüber Mutter Natur empfinden.“ – Amma
Es gibt nicht Unbedeutendes in Gottes Schöpfung. Alle Pflanzen, Tiere, Insekten, Mikroben haben ihren eigenen Platz und Zweck. Wenn das Triebwerk eines Flugzeugs ausfällt, kann das Flugzeug nicht fliegen. Tatsächlich kann das Fehlen einer einzigen wichtigen Schraube denselben Effekt haben. Mit Mutter Natur ist es genauso. Sogar Bienen und Ameisen haben ihre eigene spezielle Rolle zu spielen. Liegt es nicht an der Bestäubung durch die Bienen, dass wir Obst und Gemüse bekommen? Wir verlieren diese Wahrheit aus den Augen und setzen Pestizide ein, die das Gedächtnis der Bienen beeinträchtigen. Gesunde Bienen fliegen bis zu ganzen 3 Kilometer weit, um Pollen zu sammeln, bevor sie in ihren Bienenstock zurückkehren. Aufgrund der Pestizide vergessen sie jedoch immer häufiger ihren Weg nach Hause und sterben. Wir brauchen mehr Bewusstsein, wenn es zum Einsatz solcher Gifte kommt. Die Menschen sollte damit beginnen, blühende Bäume zu pflanzen und Bienenstöcke zu kultivieren.
Es gibt einen Rhythmus zu allem in der Schöpfung – eine unleugbare Beziehung zwischen dem gesamten Universum und allen Lebewesen. Das Universum ist wie ein großes verwobenes Netz. Wenn ein Netz in einer Ecke geschüttelt wird, ist die Vibration überall zu spüren. In ähnlicher Weise schwingen unsere Handlungen durch die ganze Schöpfung. Wir sind keine voneinander getrennten Inseln, sondern Glieder einer zusammenhängenden Kette. Wir dürfen uns nicht wie eine Person benehmen, die im 10. Stock sitzt, Schreie hört, dass das Erdgeschoss brennt, und sich sagt: „Es ist nur das Erdgeschoss. Sollen sich die Menschen dort unten darum kümmern.“ Wir sollten erkennen, dass sich das Feuer schon bald ausbreiten und auch unser Stock in Flammen gehüllt sein wird. Wenn wir diese Realität ignorieren, schaufeln wir uns unser eigenes Grab.
Wir können nicht warten, bis andere Menschen sich ändern. Wenn wir das tun, wird nichts geschehen. Auch wenn sich andere Menschen nicht ändern, sollten wir bereit sein, uns zu ändern. Wir müssen tun, was wir tun können.
Wer in der Vergangenheit ein 300 Quadratmeter-Haus gebaut hat und künftig wieder bauen will, sollte ein Haus bauen, dass nur 150 Quadratmeter groß ist. Wer ein 100 Quadratmeter-Haus bauen will, sollte es auf 50 Quadratmeter verringern. Auf diese Weise können wir Bäume, Wasser, Elektrizität und andere Ressourcen einsparen. Auch Fahrgemeinschaften können Kraftstoff einsparen. Mit kleinen Dingen wie diesen können wir Schritt für Schritt Änderungen bewirken.
Stellen wir uns einen großen verschmutzten See vor. Wir sollten uns nicht niedergeschlagen fragen, wie wir als Einzelperson diesen See reinigen können. Wir sollten tun, was wir tun können. Dann sollte ihn die nächste Person so viel reinigen wie sie kann. Wenn dies unsere Haltung ist, werden viele Menschen mitmachen und schließlich wird der ganze See sauber. Wir sollten uns nicht resigniert zurückziehen. Wir sollten uns bemühen. Fahrgemeinschaften bilden, Bienen halten, Bäume pflanzen, die Umwelt reinigen, Abfall wiederverwerten und Gemüse anbauen – all dies sind hilfreiche Dinge, die wir alle tun können.
Die aktuelle Situation ist schlimm, aber wir sollten tun, was wir tun können. Wenn wir es wirklich wollen, können wir einen Himmel auf Erden erschaffen. Aber dazu müssen wir den Himmel zuerst in uns selbst erschaffen. Ich bete zum Höchsten, uns zu segnen, dass wir es tun.