Bildung sollte Licht nach innen und außen verbreiten, Bewusstsein wecken und die tiefe Verbindung des Studenten mit seinem Land, der Welt, seinen Mitmenschen, allen Lebewesen, der Natur und Gott stärken.
Ammas Botschaft anlässlich der Verleihung des Ehrendoktortitels D. Litt (Honoris causa), durch das Kalinga Institute of Industrial Technology
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14. August 2021
Amma verneigt sich vor allen, die ihr Verkörperungen göttlicher Liebe und des höchsten Bewusstseins seid.
Sehr geehrte Herren, Herr Dharmendra Pradhan, Bundesminister für Bildung, Kompetenzentwicklung und Unternehmertum, Herr Professor Jean-Marie Lehn, Nobelpreisträger. Zuerst möchte ich Herrn Achyuta Samanta, Lok Sabha-Mitglied und Gründer des Kalinga-Instituts, Herrn Nik Gugger, Mitglied des Schweizer Parlaments, Herrn Ved Prakash, Kanzler, Frau Sasmita Samanta, Herrn Varun Suthra und den anderen Verwaltungsangestellten des Kalinga-Instituts für die Verleihung dieser Ehre herzlich danken.
Die wenigen humanitären Dienste, die der Ashram bisher der Welt erweisen konnte, sind allein der aufrichtigen Liebe und Hingabe von Ammas Devotees zu verdanken. Daher reicht Amma ihnen und ihren vollen Herzen diese Ehre weiter.


Kalinga & Mitgefühl
Kalinga ist das geweihte Land, in dem die Erinnerung an ein großes Ereignis ruht, das in goldenen Buchstaben auf den Seiten der Geschichte geschrieben steht. Dies ist der Ort, der den gewaltigen Eroberungskrieg des großen Kaisers Ashoka bezeugt. Und der von seiner tiefen Trauer angesichts des blutigen Schlachtfeldes nach seinem Sieg, von seinem Sinneswandel und seinem darauffolgenden Streben nach dem Weg des ewigen Friedens und der Verwirklichung spricht. Auf diesem Boden des Mitgefühls hat Herr Achyuta Samanta, Gründer des Kalinga-Instituts mit Universitätsstatus, beschlossen, seine humanitären Dienste anzubieten. Amma dankt ihm dafür von ganzem Herzen.
Tatsächlich ist Mitgefühl für unsere Mitmenschen das Wichtigste, was wir durch Bildung entwickeln können. Amma ist hocherfreut, dass diese Universität diesem Ziel dient. Es versteht sich von selbst, dass diese Einrichtung wie ein Licht der Unterstützung und des Schutzes für Zehntausende von Menschen in dieser Region strahlt.
Die Vision des Landes Bharat (Indien)
Diese Welt und alle ihre Geschöpfe sind Ausdruck des einen höchsten Bewusstseins und unterscheiden sich nur durch ihre äußere Form. Daher sollten wir jeden Aspekt der Schöpfung, ob empfindungsfähig oder nicht, mit Liebe, Respekt und Hingabe behandeln. Dies ist die Vision des Landes Bharat. Dies ist die erhabene Botschaft, die Bharat in die Welt trägt.
Nach Ansicht des Sanatana Dharma sind Schöpfer und Schöpfung nicht zwei, sondern eins. Gold ist im Goldschmuck und umgekehrt. Auch wenn sich die Sonne in hundert Wassergefäßen widerspiegelt, gibt es dennoch nur eine Sonne. Ebenso gibt es nur ein Selbst, das in jedem Individuum gegenwärtig ist. Diese Einstellung wird unser Herz öffnen. Nur mit offenem Herzen können wir auf andere Rücksicht nehmen. Wenn die rechte Hand verletzt ist, streichelt und tröstet sie sofort die linke. Möge jeder diese Einstellung entwickeln und danach streben, Andere als das eigene Selbst zu sehen und sie entsprechend zu lieben und ihnen zu dienen.


Die wahre Bedeutung des Wortes Bildung
Viele von Ihnen kennen die wahre Bedeutung des Wortes „Ausbildung“ oder „Bildung“. Ausbildung bedeutet, das in uns bereits vorhandene Bild, also die in uns bereits angelegten Talente und Fähigkeiten, nach außen zu bringen. Echte Bildung befähigt uns, unsere verborgenen Talente zu entdecken und zu leben. Wir alle haben viele Talente, doch wir sind uns dessen meist nicht bewusst. Der Lastenträger benutzt den Kopf, und verdient damit seinen Lebensunterhalt, während der Wissenschaftler seinen Kopf einsetzt, um bedeutende Entdeckungen und Erfindungen zu machen. In ähnlicher Weise liegt in uns allen ein unendliches Potenzial verborgen. Leider sind die meisten von uns sich dessen nicht bewusst.
Lethargische Hühner
Amma erinnert sich an eine Begebenheit aus ihrer Kindheit. In Ammas Kindheit hielt Ammas Mutter, Damayanti Amma, Hühner. Nach der Brutzeit legten die Hühner meistens für lange Zeit keine Eier. Sie wurden lethargisch und saßen zusammengekauert in einer Ecke, als ob sie Fieber hätten. Kam ihnen jemand zu nahe, machten sie ein Geräusch, um denjenigen zu vertreiben. Sie hörten auf zu fressen. Selbst die Nahrungssuche gaben sie auf. Sich selbst überlassen, legten sie möglicherweise sechs Monate lang keine Eier. Sie hätten sogar verhungern können.
Wenn sie länger als fünf Tage in diesem Zustand verharrten, warf Damayanti Amma sie in die Backwaters, um sie wach zu rütteln. Sofort flatterten sie mit den Flügeln und kamen ans Ufer zurück. Damayanti Amma wiederholte dies vier oder fünf Mal.
Dann trat der Normalzustand wieder ein und die Henne begann, nach Futter zu suchen. Binnen 15 Tagen legte die Henne wieder Eier. Eine Henne ist von Natur aus in der Lage, Eier zu legen. Aber aufgrund ihrer Lethargie konnte sie diese Fähigkeit nicht mehr entfalten.
In ähnlicher Weise haben wir alle die Fähigkeit, unsere innewohnenden Talente zu erwecken.
Die Nachteile des modernen Bildungssystems
Entwickelt sich das heutige Bildungssystem so, dass die verborgenen Talente und Fähigkeiten der Studenten geweckt werden? Über diese Frage sollten wir alle nachdenken. Einer der größten Nachteile des modernen Bildungssystems ist der blinde Wettbewerb und die daraus hervorgehende Nachahmung.
Amma kennt einen Professor einer Universität eines westlichen Landes. Er ist für die Bewilligung von Stipendien und für das internationale Studienprogramm zuständig. Er sagte mir: „Amma, viele Stipendien- und Zulassungsanträge für Doktoranden kommen aus Indien. Aber 99 % der Studenten füllen ihre Formulare mit genau denselben Angaben aus. Sie sehen alle gleich aus. Sobald ich anfange sie zu lesen, werfe ich sie in den Papierkorb.“
Neugestaltung unseres Bildungssystems
Wir müssen unser Bildungssystem reformieren, um die Kreativität unserer Studenten zu fördern. Zweifellos hilft das moderne Bildungssystem unseren Kindern, sich einen Namen zu machen, nach Ruhm und Reichtum zu streben. Aber ist das alles, worum es im Leben geht? Besteht der Sinn des Lebens nur darin, eine Menge Bücher zu studieren, Prüfungen zu bestehen, einen Abschluss zu erhalten, einen Job zu bekommen und ein sicheres Einkommen zu generieren?
Leben und Dasein ist nicht das Gleiche
Leben und Dasein ist nicht das Gleiche. Für unser Dasein in dieser Welt brauchen wir vielleicht einen Job, Geld, ein Haus, ein Auto und andere Dinge für unser leibliches Wohl. Aber diese Dinge allein machen unser Leben nicht vollständig. Dazu brauchen wir Liebe, Mitgefühl, Zuneigung – ein Herz, das den Schmerz der anderen kennt und darauf eingeht. Wir brauchen Aufgeschlossenheit und geistige Reife im Denken und Handeln.
Bildung sollte Licht nach innen und außen verbreiten. Bildung sollte gleichermaßen Unterscheidungsvermögen und Kontemplation entwickeln. Bildung sollte die Neugierde wecken, die innere Welt genauso gut zu kennen wie die äußere Welt. Bildung sollte uns beibringen, unser inneres Auge ebenso offen zu halten, wie unsere äußeren Augen. Bildung sollte Bewusstsein wecken und die tiefe Verbindung des Studenten mit seiner Nation, der Welt, seinen Mitmenschen, allen Lebewesen, der Natur und Gott stärken.
75 % des Potenzials bleiben ungenutzt
Das moderne Bildungssystem betont die mentale und intellektuelle Entwicklung. Beide befinden sich jedoch auf der physischen Ebene. Und so erhalten die meisten Absolventen keine Kenntnis von der Ebene des wahren Seins. Wenn diese Unwissenheit nicht behoben wird, bleibt die Disharmonie in der Welt bestehen. Angenommen, in einer Königsfamilie mit fünf Mitgliedern wollte ein jeder den Thron. Es würde nur Krieg geben.
Wenn wir alles, was uns ausmacht, in vier Teile teilen, macht der Komplex aus Körper und Verstand weniger als ein Viertel von dem aus, was wir sind. Mehr als 75 % von uns sind nach wie vor in Unwissenheit und unterentwickelt. Neben der Aufrechterhaltung der körperlichen Gesundheit und der intellektuellen Fähigkeiten müssen wir die innere Kraft verstehen, die Körper und Geist mit Lebensenergie versorgt. Wir müssen jenes Selbst verstehen, das als Grundlage für alles Äußere existiert.
Die Welt ist eine Familie.
In Zukunft sollten die Lehrpläne dem edlen Konzept von Bharat vasudhaiva kuṭumbakam – „Die Welt ist eine Familie“ – zumindest ein wenig Bedeutung beimessen.
Während die Menschheit voranschreitet, sollte sich das Gefühl der Einheit in unseren Gedanken und Handlungen wenigstens ein bisschen widerspiegeln. Wenn nicht, wird die Gier auf die Spitze getrieben und sogar die Existenz der Menschheit bedrohen.
Die Vorboten dieser Entwicklung haben wir in den letzten Jahren als Warnungen von Mutter Natur erhalten. Wenn wir diese Warnungen von Gott und Mutter Natur nicht beherzigen, wird die Menschheit bald zu den ausgestorbenen Spezies der Erde zählen.
Fünf Bildungsziele
Es gibt fünf Ziele, die mit Hilfe von Bildung angestrebt werden sollten:
- Den Lebensunterhalt verdienen – Wissen und Fähigkeiten, die notwendig sind, um Wohlstand, Status und Komfort zu erlangen.
- Erkennen, dass geistige Gesundheit – die Reife, unsere Gedanken und Gefühle zu kontrollieren – genauso wichtig ist wie körperliche Gesundheit, und diese Reife auch erlangen.
- Schulung, unsere Pflicht zu erfüllen, unserem Elternhaus, unserer Familie sowie Mutter Natur, die uns mit Nahrung, Obdach, Sonnenschein, Regen, Bergen, Wäldern, Flüssen, Bäumen und Früchten gnädig segnet, zurückzugeben, was wir ihnen schulden.
- Inspiration zu Dankbarkeit, Liebe und Respekt gegenüber Gott und Mutter Natur und die Motivation, uns in sozialer Fürsorge und selbstlosem Dienst zu engagieren, die aus dieser Dankbarkeit entsteht.
- Bewusstsein für unser inneres Selbst zu wecken und zu verstehen: „Ich bin kein getrenntes Wesen. Vielmehr bin ich ein Teil dieses Universums. So wie das Wasser in den Wellen am Ufer und das Wasser in der Mitte des Ozeans das gleiche ist, bin ich eins mit der gesamten Schöpfung.“
Die Schulzeit sollte eine meditative Zeit sein
Wissen über die Außenwelt zu lernen, ist wie eine Brücke. Wir sollten in der Lage sein, diese Brücke zu überqueren und das Licht des inneren Selbst zu erreichen. Unsere Bildung ist ein Tapas [Übung in Enthaltsamkeit], die wir durchlaufen müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Daher sollten unsere Schuljahre eine meditative Zeit sein. Wenn Studenten während des Studiums an dieser Grundlage festhalten, werden sie niemals zu Neid oder Konkurrenzdenken neigen. Stattdessen wird ihr Leben zu einer feierlichen Reise werden, in der Liebe und Freundschaft vorherrschen und Mensch, Natur und Gott Hand in Hand voranschreiten.
Lasst uns Hoffnung und Optimismus nicht verlieren
Durch die Corona Pandemie geht die Welt durch dunkle, schwierige Zeiten. Aber wir sollten die Hoffnung und den Optimismus nicht verlieren.
Amma erinnert sich an eine Geschichte: Einmal war eine große Gruppe von Schnecken auf dem Weg nach Norden, als sie einem Vogelschwarm begegneten, der nach Süden flog. Diese fragten: „Wo wollt ihr denn hin?“
Die Leitschnecke antwortete: „Oh, wir wollen in den Wald, der ganz weit im Norden ist.“
Als die Vögel das hörten, lachten sie: „Macht ihr Witze? Wir kommen gerade aus diesem Wald. Dort herrscht Dürre. Alle Bäume sind vertrocknet und es gibt kein einziges grünes Blatt mehr!“
Die Leitschnecke antwortete jedoch: „Kein Problem! Bis wir dort ankommen, wird es wieder viele Blätter geben.“
Wie die Schnecken in der obigen Geschichte, können auch wir alle Hindernisse überwinden, wenn wir den Optimismus und das Selbstvertrauen haben, ungeachtet aller Widrigkeiten des Lebens weiterzugehen. Selbstvertrauen ist wie die Antriebsrakete, die wir brauchen, um uns von der Anziehungskraft unserer vermeintlichen Begrenzungen zu befreien.
Ich habe keine anderen Arme als deine
So wie die Sonne keine Kerze braucht, um ihren Weg zu erleuchten, so braucht auch Gott nichts von uns. Lasst uns versuchen, den Armen und Bedürftigen gegenüber mitfühlend zu sein und Gott in ihnen zu sehen. Das wird uns befähigen, die göttliche Gnade zu empfangen.
In der Mitte eines Dorfes stand eine schöne Statue eines großen Mahātmā mit ausgestreckten Armen. Auf der Gedenktafel waren die Worte eingraviert: „Komm in meine Arme!“
Mit der Zeit fielen der Statue die Arme ab. Die Dorfbewohner versammelten sich, um über das Schicksal der Statue zu entscheiden. Einige schlugen vor, sie zu entfernen und durch eine neue Statue zu ersetzen.
Andere sprachen sich dagegen aus und forderten, dass neue Arme angefertigt werden sollten.
Doch ein alter Mann stand auf und sagte: „Nein, macht euch keine Gedanken über neue Arme. Lasst sie ohne Arme sein.“ Die Dorfbewohner fragten: „Aber was ist mit der Tafel darunter? Da steht, ‚Komm in meine Arme!“
Der alte Mann antwortete: „Das ist kein Problem. Direkt unter die Worte ‚Komm in meine Arme‘ fügt hinzu ‚aber ich habe keine anderen Arme als deine.“
Gott wirkt durch unsere Arme, durch unsere Augen und durch unsere Ohren.
Mögen wir zu perfekten Instrumenten in den Händen des Göttlichen werden und ihm erlauben, durch uns zu fließen.
Die richtige Zeit, eigene Bemühungen und göttliche Gnade
Wenn wir wollen, dass unser Handeln die gewünschten Ergebnisse bringt, sind drei Faktoren erforderlich: die richtige Zeit, die eigene Bemühung und göttliche Gnade.
Zum Beispiel müssen wir eine weite Strecke zurücklegen, um an einem wichtigen Termin teilzunehmen. Wir wachen früh morgens auf, steigen ins Auto und machen uns auf den Weg zum Flughafen.
Vielleicht hat das Auto unterwegs eine Panne oder einen kleinen Unfall, so dass wir den Flug nicht rechtzeitig erreichen. Oder wir kommen pünktlich am Flughafen an und erfahren, dass der Flug aufgrund von technischen Problemen oder schlechtem Wetter ausfällt.
Wir haben die richtige Mühe zur richtigen Zeit erbracht, doch weil der Faktor Gnade fehlte, konnten wir unser Ziel nicht erreichen. Wir brauchen die göttliche Gnade, um alle unsere Handlungen zu vollenden. Um Gnade zu empfangen, müssen wir gute Taten vollbringen.
Lasst uns erwachen und für die göttliche Gnade empfänglich werden. Möge Paramatman (das höchste Selbst) uns alle segnen.
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