50 Jahre UNO
Auszüge aus Ammas Rede anläßlich des 50. Jahrestages der Vereinten Nationen
21. Oktober 1995, Kathedrale St. John the Divine in New York
„Einheit ist Frieden“
„Ich verneige mich vor allen Anwesenden, deren wahre Natur Höchste Liebe ist. …
Wachstum und Entwicklung lautet das Motto aller Nationen und Individuen im modernen Zeitalter. Ist es nicht gut, zu wachsen und sich zu entwickeln? Aber doch, sicher! Es ist ein Zeichen wirklichen Lebens. Ohne Wachstum und Entwicklung würde das Leben an sich aufhören. Ohne diese zwei Elemente hat das Leben keinen Sinn. Viele Länder haben erstaunliches wirtschaftliches Wachstum erlebt. Trotzdem stehen sie noch vor großen inneren Problemen. Und oft ist auch Bedrohung von außen durch andere Länder vorhanden. Ganz allgemein sind die Menschen aller Nationen unzufrieden und unruhig. Ihre Gemüter sind von Angst und Mißtrauen erfüllt. Die Welt brodelt wie ein Vulkan. Wir leben in einer Welt, wo Menschen und Nationen dazu bereit sind, einander mit Füßen zu treten und zu zerstören, wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt.
Amma meint nicht, daß Güte und gute Menschen völlig von der Erdoberfläche verschwunden sind. Es gibt natürlich tugendhafte Menschen und Organisationen wie die Vereinten Nationen, die sich stark darum bemühen, den verlorenen Frieden und die Harmonie auf diesem Planeten wieder herzustellen. Aber die Güte auf dieser Welt verbreitet sich nicht in einem Rhythmus, der es ermöglichen würde, den schnell wachsenden bösen Kräften Schranken zu setzen.
Das Leben ist zu einem Schlachtfeld geworden, wo es keine Nahen und Lieben gibt, sondern nur Feinde. Diejenigen, die man heute Seite an Seite kämpfen sieht, gehen morgen schon auseinander und streiten. Dies geschieht jetzt täglich in der Welt. Das Ego und die Selbstsucht der Menschen haben die menschlichen Beziehungen zu billigem, geschäftsmäßigem Verhalten reduziert.
Es gab Zeiten, in denen der Mensch natürliche Phänomene mit großer Verwunderung betrachtete. Im Laufe der Zeit wuchs die Denkkraft des Menschen, und er begann, die Natur solcher Erscheinungen zu untersuchen und zu hinterfragen, anstatt sie nur zu beobachten. Er bemühte sich, in die Geheimnisse des Universums einzudringen. Durch Experimentieren erfand er vieles. Er entdeckte sogar die feinsten Komponenten des Atoms. Er flog zum Mond. Viele Träume der Menschen, die als unerreichbar galten, sind verwirklicht worden und unter seiner Kontrolle. Rein durch seine intellektuelle Stärke ist es dem Mensch gelungen, den Weltraum zu erobern. Er hat auch Computer entwickelt, die fast jede Art von Arbeit verrichten können. Trotzdem ist da aber etwas, das unbekannt und jenseits der menschlichen Reichweite ist. Es ist die unendliche Macht des Selbst.
Der Mensch hat die Wahrheit noch nicht erkannt, daß die universelle Macht in ihm existiert. Diese Überzeugung ist noch nicht fest in ihm verankert. Die höchst Wahrheit kann allein durch Glauben und Meditation erfahren werden. Die Wissenschaft, die sich bis jetzt mit Hilfe des menschlichen Intellekts entwickelt hat, kann nur durch Meditation vollkommen werden. Nur durch Erkenntnis des eigenen Selbst kann sie ihren Höhepunkt erreichen.
Mögen unsere Bemühungen, unsere eigene, wahre Natur zu entdecken, diese innere universelle Macht, zu einem Wahrzeichen des bald anbrechenden Jahrtausends werden. Möge dies als eines der wichtigsten Ziele des nächsten Jahrhunderts erkannt werden. Wenn wir der unendlichen Macht des Selbst vertrauen, haben wir nichts zu verlieren, abgesehen von den Ketten der Unwissenheit. Damit unsere Herzen sich öffnen, damit wir einander kennen lernen und das Leiden, die Schmerzen anderer verstehen können, muß der Kerker der Ignoranz, der uns einengt, aufbrechen.
Für die moderne Wissenschaft zerfällt die Welt in zwei Kategorien: das Bekannte und das Unbekannte. In Zukunft werden die Wissenschaftler vieles entdecken, was noch nicht bekannt ist. Was wir aber entdecken sollten, ist das „Nichtwißbare“, das weit jenseits des Intellekt liegt. Das ist Gott oder unser eigenes wahres Selbst.
Wir können wohl die Existenz Gottes leugnen, aber der Intellekt kann weder Seine Existenz noch Seine Nichtexistenz beweisen. Wir brauchen den Glauben an eine höchste Macht und die Praxis der Meditation, um diese Macht zu erkennen. Nur damit können wir zum Wissen über das Selbst, zu Einheit, Frieden und Harmonie gelangen.
Diese Macht ist das eigentliche Substrat unserer Existenz – und die eigene Existenz können wir nicht bestreiten. Die Wahrheit „Ich existiere“ versteht sich von selbst. Gott kann man leugnen, indem man behauptet: „Der Glaube hat Gott erschaffen“, die Wirklichkeit der Existenz aber müssen wir zugeben. Diese Existenz, diese kosmische Macht, ist Gott. Gott besitzt keine anderen Hände, Augen, keinen anderen Körper als den unseren. Er bewegt sich durch unsere Hände, Er geht mit unseren Beinen, Er sieht mit unseren Augen und Er ist es, der tief in jedem Herz schlägt.
Die Menschen, die diesen Planeten bevölkern, sind die Seele, das Leben dieser Welt. Mit demselben Eifer, mit dem wir uns in der äußeren Welt um wirtschaftlichen Fortschritt bemühen, sollten wie uns darum bemühen in der inneren Welt – dem wahren Leben der Nation – Harmonie zu schaffen. Die Gedanken und Taten der Menschen geben jedem Land seine Macht, seine Lebenskraft und seinen Frieden.
Um eine starke und gesunde Gesellschaft wieder aufzubauen, muß man den Kindern moralische und spirituelle Werte vermitteln. Dies sollte ein Schwerpunkt in allen Erziehungssystemen der ganzen Welt sein. Es sollte als eines der wichtigsten Ziele des 21. Jahrhunderts erkannt werden, diese entscheidenden Umstände zu verbessern, denn die Zukunft der Welt wird davon mitbestimmt werden.
Die Lebensenergie, die uns die Kraft zu sprechen und zu singen gibt, ist die gleiche, die hinter dem Gesang des Vogels und dem Brüllen des Löwen steckt. Das gleiche Bewußtsein, das in und durch jeden Menschen fließt, verleiht seine Kraft dem Wehen des Windes, dem Fließen des Stromes und dem Licht der Sonne. Hat man dieses subtile Prinzip wirklich erfaßt, wie könnte es dann noch das Gefühl eines Unterschiedes geben?
Das selbe Prinzip gilt für die Welt. So wie der Körper ist auch die Welt ein Ganzes, eine Einheit. Die einzelnen Nationen sind ihre verschiedenen Organe. Heutzutage ist jedes Land nur um den eigenen Fortschritt bemüht. Die Gefühle anderer Menschen und die Traditionen anderer Nationen werden überhaupt nicht berücksichtigt. Wenn wir diese Situation einzuschätzen versuchen, davon ausgehend, daß die ganze Welt ein einziger Körper ist, eine Einheit, dann müssen wir solches Wachstum als Teilwachstum betrachten. Eine Nation ist nur ein Organ, ein Teil des einen Weltenkörpers. Wie könnte man daher das sogenannte Wachstum eines einzelnen Landes als integriertes Wachstum betrachten?
Nur der Mensch ist sich seiner selbst bewußt. Die Kuh oder ein Hund sind ihrer selbst nicht bewußt. Eine Kuh denkt nie: „Ich bin eine indische Kuh oder eine amerikanische Kuh, eine schwarze Kuh oder eine weiße Kuh oder eine Jersey-Kuh. Der Mensch allein ist sich solcher Unterschiede bewußt.
Wir haben vergessen, daß die erste und wesentlichste Pflicht aller Menschen darin besteht, an der Wiederherstellung von Frieden und Einheit in der Welt mitzuarbeiten. Es ist aber nicht möglich, Frieden und Einheit zu erlangen, ohne das Eine zu verwirklichen, das dem Ganzen zu Grunde liegt, das Selbst, das eine, alles durchdringende Bewußtsein. Um diese Pflicht zu erfüllen, müssen wir zusammen mit dem materiellen Fortschritt auch spirituell wachsen.
Diese Welt ist wie eine Blume. Jede Nation ist ein Blütenblatt. Wenn ein Blütenblatt erkrankt, wirkt es sich nicht auf die anderen Blütenblätter aus? Zerstört die Krankheit nicht das Leben und die Schönheit der Blume? Ist es nicht die Pflicht von allen, die Schönheit und den Duft dieser einen Weltenblume vor der Zerstörung zu schützen? Diese unsere Welt ist eine große, wunderbare Blume mit vielen Blütenblättern. Erst wenn wir diese Wahrheit begreifen, wenn sie in uns tiefe Wurzeln schlägt, wird es wirklich Frieden und Einheit geben. Das Seilziehen zwischen den Nationen ist wie ein Wettkampf einer Blume. Das einzige Ergebnis ist das Welken der Blütenblätter. Die ganze Blume wird dadurch zerstört. Zerteilung bedeutet nur Verschwendung unserer Energie und unserer Lebenskraft, wirkliche Kraft liegt in der Einheit, nicht in der Trennung.
Zusammen bilden wir eine Macht, eine unbesiegbare Macht. Wenn wir alle Hand in Hand und mit Liebe zusammenarbeiten, fließt nicht nur eine einzelne Lebenskraft, sondern die Lebensenergie unzähliger Menschen, der ganzen Gruppe, harmonisch und unbehindert. Aus diesem ununterbrochenen Strom der Einheit wird dann wahrer Fortschritt entstehen und wir werden erleben, daß Frieden in die Welt kommt.
Laßt uns zusammen beten:
„Lokah Samastah Sukhino Bhavantu – OM shanti, shanti, shanti“ (Mögen alle Wesen auf dieser Welt und in allen anderen Welten Frieden finden und glücklich sein – Frieden, Frieden, Frieden).