Wir veröffentlichen hier die deutsche Übersetzung eines Beitrags von Amma, der im Dezember 2016 im Online-Magazin „Thrive Global“ von Arianna Huffington erschienen ist.
Das Gefühl, das unserem wahren Selbst am nächsten ist, ist die Liebe. Unsere Leben sind dazu gedacht, dass wir in Liebe geboren werden, in Liebe leben und uns am Ende in Liebe verabschieden. In Wahrheit kennt die Liebe kein Ende. Sie ist ewig und verbindet alle Aspekte der Schöpfung miteinander – verbindet uns Menschen miteinander, mit der Natur und mit Gott. Daher befindet sich ihr Glanz für immer als unser wahres Wesen in uns. Tragischerweise stirbt die Mehrheit der Menschen, ohne je echte Liebe gefunden zu haben, obwohl die meisten von uns unser Leben auf der Suche nach Liebe verbringen. Wir sollten jedoch Mut fassen, denn während unsere wahre Natur vorübergehend vor uns verborgen sein mag, kann sie niemals zerstört werden.
Die Spiritualität strebt nach der Wiedererweckung dieser Liebe, danach, unsere Augen wieder für sie zu öffnen. Hierzu müssen wir in unseren Herzen ein wenig Platz für andere machen. Spiritualität ist nicht gegen das Streben nach materiellem Gewinn. Sie erinnert uns nur daran, dass andere genauso ihre Träume haben wie wir. Daher sollten wir nicht auf den Träumen anderer herumtreten, um unsere zu verwirklichen. Wir müssen anderen genauso helfen wie wir uns selbst helfen.
In Indien bewegen sich mindestens 20 Prozent der Tausenden von Menschen, die jeden Tag zu mir kommen, im Elend und am Rande des Selbstmords. Als ich die Traurigkeit auf dem Gesicht einer Frau sah, die kürzlich zu mir kam, fragte ich sie, was denn los sei. Sie sagte, sie litte unter chronischem Nierenversagen. Nach ihrer Diagnose hat ihr Mann sie verlassen und sie mit ihren beiden Kindern zurückgelassen. Ohne Bildung oder Arbeit muss sie Geld von Kredithaien leihen, die sie nun belästigten. Sie sagte: „Amma, um zu überleben, soll ich mich 10 Dialysesitzungen pro Woche unterziehen. Ich kann von soviel Geld nur träumen. Also habe ich keine andere Wahl als einige auszulassen.“
Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich sagte ihr, sie solle sich keine Sorgen machen – unser Krankenhaus würde sich um ihre medizinischen Bedürfnisse kümmern und der Ashram würde ihr helfen, ihre Kinder auszubilden. Als sie dies hörte, brach sie in Tränen aus. Sie gestand mir dann, dass sie so hoffnungslos war, dass sie plante, ihre Kinder zu vergiften und sich umzubringen. „Ich hatte sogar schon den Abschiedsbrief geschrieben.“
Was wäre passiert, wenn ich sie nicht nach ihrem Leben befragt hätte? Es gibt tausende solcher Familien. Um sie zu sehen und ihnen zu helfen, brauchen wir nur unsere Augen und ein fühlendes Herz.
Es wird wohl immer Reiche und Arme geben. Zurzeit überschreitet der Abstand zwischen den Vermögenden und Habenichtsen jedoch jegliches Maß. Es ist wie ein Berg auf einer Seite und ein Abgrund auf der anderen. Wenn wir diesen Abstand nicht verringern, könnte dies zu Unruhen und sogar Gewalt führen. Wir müssen eine Brücke des Mitgefühls bauen. Wir müssen eine Sicht kultivieren, die die essentielle Einheit aller Lebewesen würdigt. Obwohl wir vielleicht 1.000 Sonnen sehen, die sich in 1.000 Wassertöpfen widerspiegeln, gibt es nur eine Sonne. Wenn wir das Bewusstsein in uns allen als eins sehen, entwickeln wir eine Sicht, die Bedürfnisse anderer vor unsere eigenen Wünsche nach Luxus stellt.
Einmal verbrachte eine Frau, die die Angewohnheit hatte, ihr Geld verschwenderisch für die Erfüllung ihrer Wünsche auszugeben, einen Monat in unserem Ashram. Später schrieb sie mir einen Brief. Sie sagte, dass sie nach ihrer Rückkehr nach Hause ganz versessen auf eine spezielle teure Designeruhr wurde. Um sich das Geld anzusparen, musste sie Überstunden arbeiten. Als sie genug Geld zusammengespart hatte, ging sie zum Juwelier. Im Geschäft erinnerte sie sich jedoch plötzlich an das Waisenhaus unseres Ashrams. Sie dachte: „Während mich der Kauf dieser Uhr eine Weile lang glücklich macht, könnte ich das Geld stattdessen verwenden, um Menschen zu helfen, denen es am Nötigsten fehlt. Auch eine $ 10 Uhr reicht, um die Zeit abzulesen.“ Schließlich beschloss sie, eine billige Uhr zu kaufen und das Geld stattdessen zu verwenden, um den Armen zu helfen. Sie schloss mit den Worten: „Vielen Dank, dass Du mir geholfen hast, mich wieder mit der Liebe in mir zu verbinden.“
Die Weite unseres Herzens erwacht, wenn wir Spiritualität in uns aufnehmen. Wenn unsere linke Hand verletzt ist, wird die rechte Hand sie spontan streicheln. Warum? Weil sie eins sind. In ähnlicher Weise sollte die Anerkennung, dass wir im Wesen alle eins sind, uns veranlassen, entsprechend zu handeln und den Armen und Bedürftigen zu dienen. Dieses Verständnis und Bemühen ist mit dem Satz „Machen wir in unserem Herzen Platz für andere“ gemeint. Wenn wir dies tun können, kommen wir nach und nach zu der Erfahrung, dass wir die Liebe erfahren, die unser wahres Selbst ist.
Denken wir daran, dass wir alle etwas haben, was wir geben können. Ein Lächeln kostet uns keinen Cent. Dennoch vergessen wir häufig, selbst das anderen zu geben. Wir haben nichts zu verlieren, wenn wir mit Liebe und Zuneigung auf Menschen schauen. Auch unsere scheinbar unbedeutendsten Handlungen können anderen helfen.
Möge sich der Kreis der Liebe in allen Menschen erweitern und allmählich die gesamte Schöpfung umarmen.